Freitag, 23. November 2012

Auslösemachanismen: Prägung, Schlüsselreiz - AAM, EAM, EAAM


Prägung

Bei der Prägung handelt es sich um einen Lernvorgang, welcher bei Tieren ein Auslöser für verschiedene Verhaltensweisen ist. Grundsätzlich dient dieser Lernvorgang zum Erwerb sozialer Verhaltensweisen. Die Prägung ist dadurch gekennzeichnet, dass in der sensiblen Phase (frühe Lebensphase), ein bestimmtes Verhalten extrem rasch und für das ganze Leben erlernt wird. Nachdem die sensible Phase vorüber ist und das Verhalten nicht erlernt wurde, ist auch die Prägungsbereitschaft vorüber. Die Prägung kann dadurch im späteren Verlauf des Lebens nicht nachgeholt werden. Die sensible Phase unterscheidet sich bei verschiedenen Tierarten im Alter und Länge. Es können auch Verhaltensweisen geprägt werden, die selbst noch nicht vollzogen werden können.

 


Bei der Prägung unterscheidet man generell zwischen der Objektprägung und der motorischen Prägung. Bei der Objektprägung handelt es sich um die Prägung auf ein bestimmtes Objekt bzw. im Normalfall auf einen Artgenossen. Die motorische Prägung ist das Aneignen verschiedener Handlungen. Desweiteren gibt es mehrere Varianten der Prägung:


Nachfolgeprägung/ Nachfolgereaktion

Bei der Nachfolgeprägung handelt es sich um die Objektprägung. Diese Art der Prägung kann besonders gut bei Gänsen oder Enten beobachtet werden. Die Küken müssen nach dem Schlüpfen erst erlernen wer ihre Mutter ist und haben somit kein angeborenes Mutterbild. Die Küken folgen dem Objekt, das sich nach dem Schlüpfen als erstes bewegt und Laute von sich gibt, schon nach wenigen Tagen in dessen Umgebung. Das kann das Muttertier im Normalfall sein, aber auch ein bewegender Ball, der Laute von sich gibt. In diesem Fall spricht man von Fehlprägung. Dieses Verhalten wurde bei Gänsen und Küken durch verschiedene Apparaturen erkannt. Am häufigsten kommt es zu Fehlprägung bei Küken, die im Brutschrank schlüpfen.
Konrad Lorenz ist für seine Analyse der Prägung in den 30er Jahren bekannt und hat zahlreiche Versuche gemacht. In einem Versuch mit Graugänsen sorgte er dafür, dass er als erstes Objekt nach dem Schlüpfen wahr genommen wurde und prägte somit die Küken auf sich. Diese folgten ihm von diesem Tag an überall hin. Durch ihn wurde die Nachfolgeprägung zu dem bekanntesten Sachverhalten der Verhaltensforschung.

Graugänse

Sexuelle Prägung

Besonders bei der sexuellen Prägung wird das Merkmal deutlich, dass das geprägte Verhalten erst nach der Prägungsphase angewendet werden wird bzw. kann, weil das Tier dafür geschlechtsreif sein muss. Auch bei dieser Variante der Prägung hat Konrad Lorenz erstaunliche Beobachtungen gemacht. Die auf ihn geprägten männlichen Enten akzeptierten ihre weiblichen Artgenossen nicht als Sexualpartner. Bei diesem Verhalten wird deutlich, dass sich die Gänse schon im Küken Alter auf ihre Sexualpartner prägen, jedoch noch nicht die dazu hörigen Verhaltensweisen aufweisen, also sich erst fortpflanzen, wenn sie geschlechtsreif sind. Die weiblichen Enten haben hingegen eine angeborene Kenntnis über ihre männlichen Artgenossen.


Prägung auf den eigenen Nachwuchs

Da die sensible Phase nicht immer in der Kindheit liegt, kommt es auch dazu, dass sich Elterntiere auf ihre Jugend prägen. Das kommt am häufigsten bei Herdentieren oder Kolonien brütenden Vögeln vor. Die weiblichen Ziegen lassen beispielsweise jedes Jungen vom Euter trinken, dessen Geruch sie ca. 1 Stunde nach der Geburt wahrgenommen haben. Somit prägen sie sich nicht nur auf die eigenen Jungen, sondern lassen auch fremde Jungtiere vom Euter trinken. Im Fall der Möwen erlernen die Muttertiere den individuellen Ruf ihrer Küken direkt nach dem Schlüpfen.

-> Die bei der Prägung erworbenen Verhaltensweisen werden auch als erworbene Auslöser bzw. Schlüsselreize bezeichnet.



Schlüsselreiz/Auslösemechanismen

Jeder Instinkt oder eine Erbkoordination wir durch einen Auslöser oder einen Schlüsselreiz ausgelöst. Die meisten Schlüsselreize wirken über einen angeborenen auslösenden Mechanismus (AAM). Das Ergebnis dieser Reize ist, dass ein Verhalten in Gang gesetzt wird. Allgemein besteht der Begriff „Schlüsselreiz“ aus einer Modellvorstellung:
  

Man geht davon aus, dass im Zentralnervensystem laufend Erregungen für Handlungsabläufe prodoziert werden, die aber durch eine Kontrollinstanz in Schranken gehalten werden. Wir können in der Modellvorstellung diese Schranken als „Türen“ ansehen, welche vom Schlüsselreiz auf gehoben werden oder gehemmt werden. Das wichtigste beim Schlüsselreiz ist, dass es sich dabei nicht um einen einzelen Reiz handelt, sondern um komplexe Reizmuster, die von einem Mustererkennungsvorgang im Zentralnervensystem erkannt werden. So kann man sagen, dass die „Tür“ (Schranken) erst aufgeht und Bahnen frei gibt, wenn der „Schlüssel“(Reizmuster) in das „Schloss“(Mustererkennung/AAM) passt. Der Schlüsselreiz löst immer eine bestimmte Handlung aus. Welche Teile des Hirns dabei beansprucht werden, ist nur in wenigen Fällen bekannt wie zum Beispiel bei der Erdkröte.

Die Erdkröte besitzt ein Hirnareal im Mittelhirn, welches zur Erkennung der Beutetiere dient. Durch Beschädigung des Hirnareals kann die Kröte nicht mehr Beutetiere von Nichtbeutetieren unterscheiden. 

Ein einfaches Beispiel für den Schlüsselreiz lässt sich bei der Zecke finden:
Der Schlüsselreiz ermöglicht ihr eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für einen geeigneten Wirt, indem sie in alles sticht was eine warme Körpertemperatur hat und nach Buttersäure(Körperschweiß) riecht. Jedes Lebewesen, was ihr dieses Reizmuster bietet, löst bei ihr die Handlung des stechens aus. 

Bei beiden Beispielen redet man von dem AAM (angeborener Auslösemechanismus). Dieser dient jedem Tier zum filtern der Reizmuster. 

Ein weiteres Beispiel für den angeborenen Auslösemechanismus:
Bei einem Versuch mit Haushuhnkücken wurden Kügelchen auf einer Oberfläche verteilt und von verschiedenen Seiten beleuchtet. Nach mehreren Versuchen fingen die Haushuhnkücken an nach den Kügelchen zu picken. Nur als die Kügelchen von oben beleuchtet wurden, wie von der Sonne selbst, fingen die Küken an danach zu picken. Man geht davon aus, dass die Küken von Geburt an wissen wie Futter auszusehen hat. In diesem Fall eine helle obere Seite. Sie reagieren auf diesem optischen Reiz mit der Reaktion zu picken. 
 
Kugelförmig/helle obere Seite (Reizmuster) -> Schlüssel

Da der AAM nicht immer Hemmungen aufhebt, sondern auch selbst zur Hemmung führen kann, ist hier ein Beispiel für diese Art des Schlüsselreizes.
Viele Säuglinge in der Tierwelt können kurz nach der Geburt nicht sehen und suchen dadurch mit Kopfpendeln nach der Brustwarze des Muttertiers. Wenn das Junge diese gefunden hat, wird das Kopfpendel sofort gehemmt und hört auf.

Die Meachanismen der Informationsverarbeitung sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Was jedoch sicher ist, dass der Mechanismuss flexibler als eine Schlüssel-Schloss-Beziehung ist. Außerdem ist erwiesen, dass sich der AAM durch lernen (Dressur) bzw. Erfahrung beeinflussen lässt und sich somit modifiziert werden kann in EAM und EAAM. Dazu später noch mehr.
 

Schlüsselreize beim Menschen

Der Schlüsselreiz und der dazugehörige AAM ist auch beim Menschen erkennbar. Bekannte Beispiele dazu sind das Kindchenschema und die Erkennung der Geschlechtszugehörigkeit.
Beim Kindchenschema handelt es sich um einen optischen Reiz, welcher aus einer Kombination von Körpermerkmalen, die für Kleinkinder typisch sind, besteht. Die Merkmale des Kindchenschemas sind:

-          Ein großer Kopf
-          Eine ausgeprägte Stirnwölbung
-          Ein vorgewölbter Hinterkopf
-          Große Augen
-          Kleiner Nasen- und Kinnbereich

Dieser Schlüsselreiz löst beim Menschen ein Brutpflegeverhalten aus. Dieses Verhalten weist viel Zuwendung und positive Gefühlsreaktionen auf. Häufig wird dieses Verhalten von der Werbungsindustrie genutzt um Kaufbereitschaft auszulösen.

Die Geschlechtszugehörigkeit der Erwachsenen wird wahrscheinlich auch anhand Schlüsselreizen erkannt. Dabei ist ein wichtiger Faktor das Verhältnis zwischen Schulter- und Hüftbreite. Die Schlüsselreize des Menschen können im Gegensatz zu denen der Tiere beeinflusst werden. Dies geschieht zum Beispiel durch die kulturelle Zugehörigkeit und die damit verbundenen Lernvorgänge. Ein Beispiel dafür ist, dass die weibliche Brust in Europa als sexueller Reiz eine größere Rolle spielt als in Afrika oder Ozeanien.


Attrappenversuche

Um all diese Entdeckungen in der Verhaltensbiologie machen zu können, wurden zahlreiche Versuche mit Attrappen gemacht. Dabei dient die Attrappe als Nachahmung des natürlichen Reizes, was im häufigsten Fall ein Modell eines Artgenossens darstellt. Durch verschiedene Änderungen an dem Modell soll erkannt werden welche Einzelmerkmale oder Merkmalskombinationen für einen Auslöser eines bestimmten Verhaltens notwendg ist.


EAM und EAAM

Zunächst eine kleine Erklärung der Abkürzungen:

EAM -> erworbener Auslösemechanismus

EAAM -> durch Erfahrung veränderter angeborener Auslösemechanismus


Wie schon erwähnt, kann ein AAM durch verschiedene Lernvorgänge oder Erfahrungen modifiziert werden. Solche angeborne Auslösemechanismen bezeichnet man dann als EAAM (durch Erfahrung veränderter angeborener Auslösemechanismus).

Zu dieser Art des Auslösemechanismus ein Beispiel:

Unerfahrene Küken zeigten in einem Versuch mit Flugtierattrappen zunächst ein Fluchtverhalten. Sie gaben Warnlaute von sich und versuchten zu flüchten. Mit der Zeit gewöhnten sich die Küken an die unechten Feinde und realisierten, dass sie keine Gefahr darstellten. Durch das Lernen wurder der Auslösemechanismus verfeinert und die Reaktion der Flucht nur noch durch gefährliche echte Greifvögel aktiviert.



Beim EAM (erworbener Auslösemechanismus) handelt es sich um einen Auslösemechnismus der vollkommen neu angeeignet wird auch die Prägung kann zu diesem Mechanismus zählen. Ein Beispiel dafür ist die Hundedressur. Eine andere Reaktion, die zum EAM zählt, ist die Reaktion der Möwen auf Unterwasserexplosionen. Fischer setzten damals diese Explosionen ein um ihre Fischfangerträge zu steigern. Das Geräusch, was dabei entstand, beeinflusste nach einer Zeit die Möwen. Sie reagierten auf das Geräusch mit dem Absuchen der Wasseroberfläche nach toten Fischen.  

   

Quellen:
Linder Biologie - Lehrbuch für die Oberstufe, Schroedel Verlag
Natura - Biologie für Gymnasien, Klett Verlag
Schüler Duden - Die Biologie, Dudenverlag, Jahr 1976
http://de.wikipedia.org/wiki/Angeborener_Ausl%C3%B6semechanismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4gung_%28Verhalten%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Schl%C3%BCsselreiz




Von: Sonja Dörfer

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